
© John Cameron
Viele Staaten sind weiterhin sehr engagiert, die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Auch Österreich. Wir brauchen die Agenda 2030 mehr denn je. Denn sie ist ein Plädoyer für globale Allianzen.
Annelies Vilim war bis Ende 2024 Sonderbeauftragte der Regierung für Humanitäre Hilfe und zehn Jahre Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung sowie Gründungsmitglied von SDG Watch Austria.
Im Herbst 2015 fassten die 193 VN-Mitgliedsstaaten einen historischen Beschluss: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie ist ein weltweiter Aktionsplan für ein menschenwürdiges Leben für alle auf einem gesunden Planeten. Die in der Agenda enthaltenen 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und 169 Unterziele zielen darauf ab, soziale, ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen gleichwertig zu bewältigen. Wie bei einem Puzzle ergibt sich das gesamte Bild aus der Summe aller Teile: bei der Agenda 2030 ist jedes der 17 Ziele unverzichtbar. Mit ihrem klaren Anspruch „niemanden zurücklassen“ ist sie national und international für alle Menschen umzusetzen. Es gilt, Lebensperspektiven insbesondere für Menschen in Weltregionen, die durch Armut, Epidemien, Klimakrise und Kriege besonders gefährdet sind, zu schaffen. Das Neuartige an den SDGs ist, dass sie mehrdimensional und universell gültig sind. Dieser Ansatz spiegelt die Breite der zu bewältigenden globalen Herausforderungen. Was tut sich zehn Jahre nach ihrem Beschluss weltweit sowie in Österreich und wie soll es weitergehen?
Weltweit: viel Engagement, langsamer Fortschritt
Laut aktuellem Bericht der Vereinten Nationen (VN)1 sind viele Staaten weiterhin sehr engagiert, die SDGs umzusetzen. Ost- und Südasien erzielten seit 2015 erhebliche Fortschritte, vor allem bei sozioökonomischen Zielen. Europäische Länder sind weiterhin Spitzenreiter. Den ersten Platz im SDG Index 2025 der VN2 belegt Finnland, gefolgt von Schweden, Dänemark, Deutschland und Frankreich. Zu den Schlusslichtern zählen Südsudan, Zentralafrikanische Republik, Tschad und Somalia. Global gesehen stagniert die Umsetzung seit COVID-19, insbesondere bei SDG 2 (Kein Hunger), SDG 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden), SDG 14 (Leben unter Wasser), SDG 15 (Leben an Land) und SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen). Multiple Krisen, Konflikte, Klimaverschlechterung, fehlende Finanzmittel aber auch geringer politischer Wille und Abschottung behindern Fortschritte in vielen Ländern. Bis 2030 dürften weltweit nur 17% der Ziele erreicht werden.
Österreich: Ambitioniert…
Bereits 2016 beauftragte die österreichische Bundesregierung alle Bundesministerien, die Agenda 2030 und die darin enthaltenen SDGs in ihre relevanten Strategien und Programme einzuarbeiten und umsetzen (Mainstreaming-Ansatz). Eine interministerielle Arbeitsgruppe sorgt für regelmäßigen Austausch zwischen den Ministerien und bezieht öffentliche Stellen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, ebenso wie Sozialpartner, Vertreter*innen von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft mit ein. Das Wirtschaftsministerium beispielsweise unterstützt seit Jahren mit der Plattform SDG Business Forum3 Unternehmen dabei, die Agenda 2030 als Kompass unternehmerischen Handelns und wirtschaftlichen Erfolgsfaktor zu nutzen. SDG Watch Austria4 und das Ban Ki-moon Centre for Global Citizens5 veranstalten jährlich gemeinsam mit der Bundesverwaltung SDG - Dialogforen6 bei denen sie gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft Chancen und Innovationen auf dem Weg zur Erreichung der SDGs erarbeiten.
Österreich präsentierte bereits zwei freiwillige Nationale Umsetzungsberichte (FNU)7 zur Umsetzung der Agenda 2030 vor den Vereinten Nationen, die Potential, Herausforderungen und Good Practice Beispiele zeigen. Laut aktuellem Regierungsprogramm möchte die Regierung ihre Umsetzung forcieren und die SDGs stärker mit der Budgetplanung verknüpfen.
…mit reichlich Luft nach oben
Österreich zählt mit dem guten sechsten Platz im SDG Index 2025 der VN2 zu den SDG-Spitzenreitern, ist aber im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz abgerutscht. Aktuell gelten SDG 1 (Keine Armut) und SDG 7 (Bezahlbare und saubere Energie) als erreicht. Gute Fortschritte gab es bei SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur). Am schlechtesten schneidet Österreich bei SDG 12 (Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster) und SDG 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) ab, bei denen noch großer Handlungsbedarf besteht. Rückschritte gab es bei SDG 10 (Weniger Ungleichheiten), während die Fortschritte bei SDG 2 (Kein Hunger), SDG 4 (Hochwertige Bildung), SDG 15 (Leben an Land) und SDG 16 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) stagnieren.
Großer globaler Fußabdruck Österreichs
In unserer global vernetzten Welt ist es entscheidend, internationale negative Effekte unseres politischen und privaten Handelns sowie Wirtschaftens zu berücksichtigen. Zu diesen sogenannten negativen Spillover-Effekten zählen beispielsweise der Wasser- und Energieverbrauch einer in Pakistan produzierten und in Österreich gekauften Jean oder der Export giftiger Pestizide oder Plastikmülls in Länder Afrikas. Auch die Toleranz schlechter Arbeitsstandards in Lieferketten schadet ohnehin gefährdeten Menschen in Entwicklungsländern. Wie in vielen wohlhabenden Ländern haben auch Österreichs Politiken, Importe, Exporte und Konsummuster negative Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung anderer Länder. Österreich verursacht einen großen globalen Fußabdruck. Beim Ranking der negativen Spillover Effekte1 ist Österreich abgeschlagen auf Platz 151 von 167.
Fehlende Strategie
Österreichs Mainstreaming-Ansatz bringt Herausforderungen, die Umsetzung bleibt insgesamt fragmentiert. Unklar ist zudem, wie Österreich mit Zielkonflikten und Partikularinteressen umgeht (z.B. klimaschädliche Subventionen versus Klimaschutz). Der österreichische Rechnungshof8 kritisierte in seinem Bericht 2022 u.a. das Fehlen einer gesamtstaatlichen SDG-Strategie, eines gesamtstaatlichen die Wechselwirkungen zwischen den SDGs berücksichtigenden Umsetzungsplans mit klar definierten Verantwortlichkeiten, konkreten Maßnahmen und verbindlichem Zeitplan. Zudem regte er an, die nachhaltigen Entwicklungsziele stärker in den Wirkungszielen des Bundes zu berücksichtigen.
Insgesamt braucht es auch in Österreich mehr politischen Willen, eine Strategie mit kohärenten Maßnahmen, Mut und weniger Silodenken, um die SDGs umzusetzen. Alle neuen Gesetze sind stärker auf ihre Auswirkungen auf die SDGs zu prüfen, um negative Spillover- Effekte zu minimieren.
Einzige Option für ein menschenwürdiges Leben für alle
Angesichts multipler Krisen, steigender Instabilität, autoritären Regimen, Erosion der Menschlichkeit, und des aufkeimenden Rechts des Stärkeren ist die Agenda 2030 wichtiger denn je. Die manchmal als globaler Mindestkompromiss bezeichnete Agenda 2030 zeigt aktuell ihre eigentliche Stärke: Sie ist ein multilateraler Gegenentwurf zum Isolationismus, zum kurzfristigen Denken und nationalistischer Machtpolitik. Sie bildet einen globalen Handlungsrahmen, der Orientierung gibt. Sie ermöglicht soziale sowie politische Stabilität und zeigt uns Wege und Lösungen auf, die Krisen zu bewältigen. Sie ist ein Plädoyer für starke Allianzen.
Zentral wird sein, die Agenda 2030 und ihre 17 SDGs an aktuelle Entwicklungen, etwa Kriege (Stichworte: hybride – und Cyberkriege), fortgeschrittene Technologien (Stichworte: KI, Geoengineering) und Klimakrise anzupassen. Eine weiterentwickelte Agenda 2030 soll Kernstück der globalen Zusammenarbeit bis 2050 bleiben, denn globale Herausforderungen brauchen globale Lösungen. Die Agenda 2030 ist die einzige Alternative für unsere Zukunft als Menschheit. Nutzen wir ihr Potential für eine friedliche Zukunft, die ökonomisch tragfähig, ökologisch verantwortungsvoll ist und allen Menschen Lebensperspektiven ermöglicht.
Weiterführende Links:
- Der Sustainable Development Report 2025 der UN analysiert die Umsetzung global, bewertet 167 Länder und negative Spillover Effekte
- 2. Nationaler Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 durch Österreich mit zahlreichen Praxisbeispielen
- Bericht des Rechnungshofes: Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich; Follow–up–Überprüfung über die Fortschritte Österreichs bei der Umsetzung der SDGs
- SDG Business Forum - Österreichs Wirtschaft und die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung des Bundesministeriums für Wirtschaft
- SDG Dialogforum | SDG Watch Austria: jährlich stattfindende Veranstaltung, organisiert gemeinsam von Verwaltung und Zivilgesellschaft
-
Im Sustainable Development Report 2025 werden 167 Länder bewertet, abgerufen am 03.07.2025
-
SDG Business Forum - Österreichs Wirtschaft und die globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, abgerufen am 4.07.2025
-
SDG Watch Austria ist ein Zusammenschluss von mehr als 230 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für die Umsetzung der Agenda 2030 einsetzen, siehe Wer wir sind | SDG Watch Austria, abgerufen am 04.07.2025
-
Ban Ki-moon Centre for Global Citizens, abgerufen am 04.07.2025
-
SDG Dialogforum | SDG Watch Austria, abgerufen am 04.07.2025
-
Bericht des Rechnungshofes: Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, Umsetzung der Agenda 2030 in Österreich; Follow–up–Überprüfung, 2022, abgerufen am 04.07.2025
Sie lasen einen Blogbeitrag einer oder mehrerer Mitgliedsorganisationen von SDG Watch Austria. Die darin enthaltenen Meinungen sind keine Positionen von SDG Watch Austria oder von ÖKOBÜRO als Medieninhaber.